Der Katzen Kurzkrimi für den Januar

Eine glückliche Fügung

Teil 2

Die Zwei stritten noch eine Weile lauthals weiter. Ich dachte nach. Das also war meiner Vorgängerin, Violet – eine hübsche Britisch Kurzhaar, deren Foto ich in Frauchens Schlafzimmer bewundert hatte – zugestoßen. Da ich den Mann inzwischen hinreichend kannte, glaubte ich Frauchens Version.

„Wenn ich dir nicht mehr gut genug bin, dann lass´ dich doch scheiden!" schrie er sie nun an.

„Ha! Das könnte dir so passen," schrie sie zurück. „Damit ich auch noch zahlen kann für dich, du mittelloser, armseliger...." ihre Stimme wurde zu einem bösartigen Zischen: „Bevor ich mich scheiden lasse, bringe ich dich um!"

Sie bebte vor Zorn und mich weiterhin fest an sich gepresst, verließ sie den Raum, um sich in ihr Schlafzimmer zu begeben.

Während ich beruhigend auf sie einschnurrte, schimpfte und weinte sie abwechselnd vor sich hin. Ich zermarterte mir derweil mein Katzenhirn nach einer Möglichkeit, ihr zu helfen.

Wenige Tage später kam uns ein glücklicher Zufall zu Hilfe. Die Schwester der Frau hatte sich, zusammen mit ihren zwei Kindern, zweieiigen Zwillingen, zu einem mehrtägigen Besuch angekündigt. Meine anfängliche Vorsicht den Kindern gegenüber erwies sich bald als unnötig. Sie waren sehr tierlieb und bezogen mich in ihre Spiele mit ein.

Die Kinder hatten zu Weihnachten Schlittschuhe geschenkt bekommen und eines nachmittags waren sie mit ihrer Mutter und meinem Frauchen in die nahe gelegene Sporthalle zum Eislaufen gefahren. Als sie wiederkamen, strahlten ihre Gesichter vor Freude und sie berichteten mir von ihren Talenten, die ihrer Erzählung nach noch ziemlich ausbaubedürftig waren.

Der Junge hatte plötzlich einen interessanten Gedanken: „Wir machen uns eigene Eisbahn, dann können wir üben."

Das Mädchen blieb skeptisch: „Aha – und wie willst du das anstellen?"

„Ganz einfach: Wir bespritzen den Gehweg hier mit Wasser, dann müssen wir nur warten, bis es gefriert und schon können wir losschlittern."

Das Mädchen war nun schnell überzeugt. Gemeinsam trabten sie zum Gartenschlauch, um enttäuscht festzustellen, dass kein Wasser heraus kam.

„Schade, das ist wohl eingefroren." meinte der Junge betrübt.

„Dann holen wir eben welches von drinnen!" erklärte das Mädchen fröhlich. Sie ging ins Haus, um wenig später mit einem Eimer voll Wasser zurück zu kehren. Ohne lange nachzudenken, schüttete sie den Inhalt des Eimers über den mit Steinplatten gepflasterten Weg, der von der Haustür zum Gartenhäuschen führte. Das Wasser platschte auf die Steine.

„Tolle Idee!" Der Junge lief zusammen mit dem Mädchen wieder ins Haus. Kurze Zeit später trugen beide jeweils Eimer, die sie ebenfalls auf den schmalen Weg entleerten.

Ich beobachtete etwas ratlos ihr Tun und begann mich gedankenvoll zu putzen. Das pflege ich immer zu tun, wenn ich unschlüssig bin. Ich wusste ja nicht, ob dies im Sinne ihrer Mutter war und: Was würde mein Frauchen dazu sagen? Die beiden Frauen waren im Haus und damit beschäftigt, den Speicher aufzuräumen, das hatte ich zuvor bemerkt. Niemand außer mir bekam das Treiben der Kinder mit.

Ich habe nicht mitgezählt, wie viele Eimer Wasser die Zwillinge auf den Weg schütteten, aber es waren einige. Bald jedoch verließ sie die Lust, weiteres Wasser nach draußen zu schleppen. Sie setzten sich auf die Bank vor der Hauswand und warteten darauf, dass das Wasser gefrieren möge. Eine Weile saß ich noch bei ihnen, dann wurde es mir aber doch zu kalt und ich begab mich ins Haus. Die Frauen räumten immer noch auf dem Speicher herum, der Mann war glücklicherweise außer Haus und so zog ich mich in mein Körbchen zurück, putzte mich ausgiebig und nickte bald ein.

Als ich erwachte, war es bereits dunkel. Die Kinder saßen mit den Frauen im Wohnzimmer und spielten „Mensch ärgere Dich nicht". Nebenbei dudelte das Radio vor sich hin und alle waren vergnügt und ziemlich laut. Nachdem ich kurz an meinem Napf war, um zu fressen, schlüpfte ich durch die Katzenklappe ins Freie, um einen abendlichen Spaziergang zu unternehmen.

Der Mann kam mir auf dem Rückweg entgegen. Er schwankte beim Gehen und stank furchtbar nach billigem Fusel und kaltem Rauch. Ich wollte mich gerade unter dem Zaun hindurch in unseren Garten schlängeln, da bemerkte er mich. Den meisten Inhalt seiner hingelallten Sätze konnte ich nicht verstehen, aber dass es nichts Freundliches war, dachte ich mir schon.

Ich schlüpfte daher unter dem Zaun hindurch und trabte Richtung Haustür. Plötzlich rutschte mein Hinterbein ein wenig weg. Verwundert starrte ich auf den glänzenden Weg unter mir. Das Wasser, das die Kinder verschüttet hatten, war tatsächlich gefroren. Der Plattenweg zu dem Gartenhäuschen war glatt wie ein Spiegel!

Ein vager Gedanke nahm in meinem Kopf Gestalt an. Ich sah mich um. Der Mann war über den Gartenzaun geklettert und näherte sich mir nun schimpfend und mit ausgestreckten Armen, als wolle er mich schnappen. Wenn mir das nicht gelegen kam... „Man kriegt im Leben nicht allzu viele Chancen," dachte ich mir und lief so rasch es ging, den Weg hinunter zu der Gartenhütte.

Mein Verfolger war nun ebenfalls auf dem Weg angelangt und rutschte ziemlich, fing sich jedoch wieder.

„Huch? – Is´ das glatt hier!" nuschelte er verwundert.

Ich sprang auf die kleine Fensterbank des Gartenhäuschens und wackelte provozierend mit dem Hinterteil. Kurz darauf setzte meine Verdauung ein. Das war offensichtlich zuviel für den Mann. Wütend schimpfend und mit dem Zeigefinger drohend kam er auf mich zugehastet. Stolpernd und schlitternd kam er immer näher. Ich hielt die Luft an. Würde er mich doch zu packen kriegen? Er war auf zwei Schritte an mich heran, als ich mit ausgefahrenen Krallen auf ihn zusprang, Richtung sein Gesicht. Erschrocken riss er die Arme hoch und kippte nach hinten, die Beine knickten unter ihm weg. Ein Schmerzensschrei fuhr ihm aus der Kehle, als er mit dem verlängerten Rückgrat und dem Hinterkopf gleichzeitig auf dem vereisten Weg aufschlug.

Wie geplant segelte ich über seine rechte Schulter hinweg und landete auf dem gefrorenen Blumenbeet neben dem Weg. Ächzend lag der Mann auf dem Boden und versuchte, wieder auf die Beine zu kommen, was ihm jedoch nicht gelang. Ich fühlte mich an meinen Unfall erinnert, als ich auch vergeblich versucht hatte, mich aufzurappeln. Es sah allerdings so aus, als ob der Mann mehr als nur einen hinkenden Gang von diesem Sturz davontragen würde.

Die Haustür öffnete sich. In dem warmen gelben Lichtschein, der sich in den Garten ergoss, sah ich die Silhouette meines Frauchens.

„Kaschmir? Bist du da draußen?" hörte ich sie rufen.

Schnell sprang ich über den Mann hinweg und lief zur Haustür. Frauchen sah mir entgegen, dabei schien sie auch Richtung Gartenhütte zu blicken. Sie trug ihre Brille nicht.

„Was machst du denn draußen in dieser Kälte?" Wieder schaute sie zu dem Häuschen. Sie kniff ihre Augen ein wenig zusammen. Bedauerlicherweise sehen die Menschen im Dunkeln ja nicht gut. Schon gar nicht, wenn sie ihre Brille nicht tragen...

„Was ist denn....-?" begann sie irritiert.

Ich ließ ihr keine Zeit zum Nachdenken, sondern strich ihr um die Beine. „Nichts," schnurrte ich, „lass´ uns ´reingehen, es ist kalt." Tatsächlich schloss sie die Tür hinter uns und wir begaben uns zu den anderen ins Wohnzimmer. Ein-, zweimal, hörte ich den Mann draußen rufen. Bedauerlicherweise haben die Menschen aber ja nicht so ein feines Gehör wie wir Katzen. Schon gar nicht, wenn sie, wie Frauchen das nun tat, das Radio lauter drehen...

Am nächsten Morgen war ich zeitig auf den Beinen, es war noch dunkel. Leise schlich ich aus dem Haus und lief zum Gartenhäuschen. Das Gesicht des Mannes wies eine selbst für einen Menschen unnatürliche Farbe auf, der Körper war steif und auf dem Boden festgefroren. Der Kopf lag in einer Blutlache, die stoppeligen blonden Haare waren blutverkrustet. Ich umrundete den Körper mehrmals. Die Beine zeigten in unterschiedliche Richtungen, wobei das linke Knie in einem merkwürdigen Winkel abstand.

Ich sprang dem Mann auf die Brust und besah mir sein Gesicht. Die kalten grauen Augen starrten blicklos in den sternenklaren Nachthimmel. Kein Atemzug drang aus Mund oder Nase. Dieser Mensch war mausetot. „Ja ja, schon so mancher „Penner" ist bei diesen Temperaturen erfroren," dachte ich mir. Ich seufzte und lief heiteren Herzens ins Haus zurück, um in meinem Körbchen noch ein wenig zu dösen.

Einige Stunden später erwachte mein Frauchen und schlurfte in die Küche, um das Frühstück zu bereiten. Sie warf einen Blick aus dem Fenster, welches zum Garten hinaus lag. Lange starrte sie nachdenklich hinaus. Ich sprang auf die Fensterbank und rieb meinen Kopf an ihrem Arm. Sie kraulte mich und bedachte mich mit einem wissenden Blick aus halb geschlossenen Augenlidern.

„Eine glückliche Fügung des Schicksals, wie?" murmelte sie an meinem Ohr. Ich schnurrte zustimmend.

„Was ist?" kam es von der Tür her. Frauchen und ich zuckten, wie auf frischer Tat ertappt, zusammen. Ihre Schwester stand verschlafen in der Tür, auf der Suche nach einem Kaffee.

„Guten Morgen, Schwesterchen," sagte Frauchen. „Äh, mein Mann ist gestürzt, wie es scheint. Gehst du mal raus und siehst nach ihm?"

 

Ende

© Tanja Schwark 2006

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